by Adlerkeller | 3. März 2005 | Presse
Bei Klaus-Peter Schreiner ist selbst der Kalte Krieg nach wie vor ein Thema
Wir haben unser System auf Computer umgestellt. Sie können deshalb mehrere Schreiben gleichen Inhalts von uns erhalten. Beachten sie die weiteren Schreiben als gegenstandslos“, zitiert Klaus-Peter Schreiner ein amtliches Anschreiben. Das animiert ihn zu der Frage: »Was nützt die schönste künstliche Intelligenz, wenn wir keine natürliche haben?“ Schreiner kann es sich erlauben so zu fragen. Er ist ein Kabarettist alter Schule – seit fast 40 Jahren Autor der Münchner Lach- und Schließgesellschaft. Nun gastierte er zum zweiten Mal im Uncle Satchmos und nahm die Gäste mit auf seine Wortspielreise „Einmal Deutschland und zurück“.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist der 74-jährige Schreiner nun schon dem politischen Kabarett verbunden. Er studierte in Mainz Chemie und und Philosophie und kam dabei mit Hanns-Dieter Hüsch in Kontakt. Dann wechselte er nach München und lernte dort Dieter Hildebrandt kennen. Schreiner arbeitete für Rundfunk und Fernsehen, das ein Drehbuch von ihm mit Curd Jürgens und Lilli Palmer verfilmte. In mehreren Spielfilmen ist er auch selbst zu sehen. Außerdem hat er mehrere satirische Bücher geschrieben. Vor allem aber hat er mit fast allen Großen des Kabaretts zusammengearbeitet: Neben Hildebrandt insbesondere mit Sammy Drechsel, Gerhard Polt oder Bruno Jonas. Seit 1993 gibt Schreiner zu dem als Solist Vorstellungen.
Bei seinem Kaufbeurer Auftritt zeigt Schreiner subtiles Polit Kabarett der alten Schule. Gediegener Wortwitz, beißende Satire und treffender Spott, ohne mit Peinlichkeiten, Trivialitäten oder Anzüglichkeiten Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Dass er dabei die guten alten Zeiten kommentiert als es noch attraktive Feindbilder wie „den Russen gab, schadet ihm nicht. Zumal „der Schwachsinn, der heute als Politik verkauft wird“, ihm „am Gesäß vorbeigeht“.
Dreht Deutschland!
Und so empfiehlt Schreiner rückblickend verblüffende Lösungen für den Kalten Krieg. Hätte man Deutschland um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht, hätten die Alpen ein natürliches Hindernis gegen den Russen“ gebildet. Der wäre dann durch die Donau gestoppt worden, wenn nicht schon vorher die neuen östlichen Bundesländer (Bayern und Baden-Württemberg ein ideologisches Bollwerk gebildet hätten – Regionen, die, so Schreiner, durch Namen wie Andreas Hofer oder Kardinal Faulhaber) eh eine besondere Tradition im Widerstand besäßen. Auch Schreiners philosophischer Diskurs über den Kapitalismus zeugt noch von alter dialektischer Schule. Schreiner zeigt sich aber auch mit neueren Entwicklungen vertraut und tut seine Meinung zur Meinungsfreiheit, Korruption oder der modernen Verwaltung kund. So gerät ein Mann in die Fänge der Bürokratie, weil ein Computer ihm eine Schwangerschaft attestiert. Auf dem Amt wird ihm mitgeteilt das ein Schwangerschaftsabbruch aus sozialer Indikation nicht möglich sei aber immerhin könne er Kindergeld beantragen. Und Schreiner kann auch selbstironisch sein, wenn er „Bioaktiv-Kegeln“ für Happy Enders“ für Senioren empfiehlt. Seine Märchen wie „Null Bock und die sieben Geißlein“ erinnern schon fast ein wenig an altrömische Fabeln und Parabeln mit modernen Inhalt.
Schließlich schneuzt Schreiner, weißhaarig und im eleganten Anzug, in ein Taschentuch in den deutschen Farben. Dann ruft er sich selbst zur Ordnung, denn das Taschentuch sei doch eine Fahne und die stehe schließlich für das Vaterland. „Ob ich in ein Taschentuch oder eine Fahne schneuze, sollte egal sein denn sonst trifft es das Vaterland direkt“, lautet seine listige Antwort.
Allgäuer Zeitung, 3.3.2005 – Markus Frobenius
by Adlerkeller | 6. Oktober 2004 | Presse
Frank Astor referierte im Podium über die Methoden der Lebensausschüttung
„Innerhalb kürzester Zeit erreichen wir ein Höchstmaß an Langzeitwirkung“, versprach Frank Astor im Satchmo’s schon bei
Beginn seines Programms „20 Methoden, sein Leben zu verplempern“. Ein Abend, der in kabarettistischer Form gleichzeitig
Workshop, Seminar und Großgruppen-Beratung sein sollte. Beim Anblick von gerade mal einem guten Dutzend Besuchern musste er
jedoch zugeben: „Okay, Kleingruppen-Beratung“.
Im eleganten cremefarbenen Complet mit roten Accessoires und selbstbewusster Ausstrahlung vor einem Flipchart stehend, stellte der Kabarettist die Frage in den Raum: „Was würden Sie tun, wenn Sie noch drei Monate zu leben hätten?“
Während das Publikum noch nachdenkliche Gesichter machte, schob Astor bereits die Anweisung „Denke eine halbe Stunde nach, diskutiere mit sechs Leuten und fasse das Ergebnis in zwei Minuten zusammen!“ hinterher. Kompliziert? Nein, einfach erstmal
den Abwasch stehen lassen! In die ersten Lacher hinein rät Frank Astor, zunächst einmal zu entspannen, denn hier könne man lernen, wie man sein Leben so richtig versaue. Wer sein Leben nicht verplempern wolle, sei an diesem Abend in der Kellerbühne sowieso am falschen Ort.
Per Summ-Feedback entlockte Astor den Zuschauern die statistischen Erhebungen, auf denen sein Kabarett basiert. Doch
Mitarbeit war auch in Übungen gefragt. Beim „Pobacken-Zusammenkneifen“ referierte er in Dozenten-Pose über die Sachzwänge
unserer Zeit. Eine weitere Lebensverplempermethode ist für Astor die Benutzung eines Computers. Welches Motiv könnte jemand
wohl haben, der vorher schon weiß, dass er mit diesem Hilfsmittel die fünffache Zeit benötigt? Zur Gitarre sang er
schließlich vom Leben, das „beschissen“ ist wie eine Hühnerleiter.
Dazwischen gab’s Anekdoten und Witze, die zwar nicht immer ganz neu waren, doch immer noch schmunzeln ließen. Besonderen
Beifall erhielt Astor für seine gelungene Imitation bekannter Zeitgenossen zur Frage: „Ein Huhn überquert die Straße. Warum?“
Dazu ließ er neben Buddha und Freud auch Kohl, Clinton und Bush referieren. In seinem Lied „Gutes Tun“ gab er dem Publikum
weitere Anleitungen: „Fremden Hundekot entfernen, den Islam näher kennen lernen! Auch an die im Abseits denken, gebrauchte
Pornos dem Altenheim schenken!“
So zeigte der im anderen Leben als Managementtrainer und Persönlichkeitsentwickler tätige Astor nicht nur
unterschiedlichste Schwierigkeiten auf, sondern bot auch unterschwellig spezifische Problemlösungen an.
Gut verpackt in Wortspielereien und Sketche waren sich die Zuschauer hinterher nicht so ganz sicher, ob sie nun einen Abend
mit Seminarcharakter verbracht hatten oder einen, bei dem das Kabarettistische im Vordergrund stand. Wie auch immer: Dem
Leben ist es egal, wie man es verplempert.
Allgäuer Zeitung, 6.10.2004 – Elisabeth Klein
by Adlerkeller | 7. Mai 2004 | Presse
Der Australo-Folk der Gruppe „NoWorries,Mate“
Eigentlich kommt Rick Stephens aus dem australischen Horsham, einer Stadt zwischen Melbourne und Adelaide. Dort erschallt bei jeder Gelegenheit ein lockeres „No Worries, Mate“. So grüßt man sich in Australien. „No Worries, Mate“ heißt aber auch das Musiker Trio, dessen Kopf besagter Rick Stephens ist. Stephens ist Sänger und Gitarrist und lebt seit sieben Jahren in Memmingen. Trotzdem pflegt er die Liebe zu seiner fernen Heimat. Für die Konzerte mit seiner Band packt er stets ein gutes Stück australischer Lebensart mit in den Musikkoffer. Was jüngst, wieder einmal, beim Auftritt von „No Worries, Mate“ im Uncle Satchmo’s zu erleben war.
Sind es die endlos langen, staubigen Pisten des Outback, über die hin und wieder ein Känguru hoppelt? Ist es der intensive Geruch frischer Eukalyptusblätter oder der archaische Klang des Didgeridoos? Und was ist mit
der Jahrtausende alten Geschichte der Ureinwohner, die als rastlose Nomaden über trockene Ebenen zogen? Sind das vielleicht nur Klischees? Bei Harry Rammerle werden jedenfalls Sehnsüchte wach, denkt er an das Land „Down Under“. Der Augsburger spielt bei „No Worries, Mate“ sämtliche Rhythmus- instrumente und das Didgeridoo. Ein gutes halbes Dutzend dieser teils kunstvoll bemalten Holzröhren stehen griffbereit hinter ihm auf der Bühne. Einige davon hat der bekennende Australienfan von seinen Reisen mitgebracht.
Der tiefe, meditative Grundton des Didgeridoo gibt gerade den instrumentalen Eigenkompositionen von „No Worries, Mate“ das Archaische. Bilder von Landschaften im Outback ziehen vorbei, und das nicht nur im Kopf
der Konzertgänger. Auf einer Leinwand neben der Bühne läuft eine kleine Dia-Show, die einen optischen Eindruck von der Weite des fünften Kontinents vermittelt. Der Gaumen der Gäste im Uncle Satchmo’s wird ebenfalls auf Australien getrimmt. Man darf wählen zwischen Steaks vom Känguru, Strauß oder Krokodil. Offene australische Weine ergänzen die kulinarische Reise.
Mal Hendrix, mal Hawaii.
Auf der Bühne ist dagegen eher „Whisky in the Jar“ angesagt. Gassenhauer aus Irish Folk, Blues und Rock’n’Roll ergänzen die eigenen Stücke. Deutliche Country-Einflüsse bringt Hugo Fritz durch sein Spiel auf der Lap-Steel Gitarre mit ein. Verträumte Hawaii-Klänge wechseln mit wilden Soli à la Jimi Hendrix.
Durch die Lautstärke der Lap-Steel rückt das Didgeridoo leider zu oft in den Hintergrund. Doch bei seinem Solo glänzt Rammerle durch Originalität. Ein Abflussrohr aus dem Baumarkt oder ein Staubsaugerrohr funktioniert er kurzerhand zum Blasinstrument um. Direkt zart wirkt dagegen das Gitarrenspiel
von Rick Stephens. Entspannt moderiert der Frontmann durch den Abend und erzählt von seiner Heimat am anderen Ende der Welt. Das Heimweh ist momentan wohl nicht so schlimm, denn Stephens hat Besuch aus Australien. Da ist man unter sich. Bestimmt wird es bei Stephens in Memmingen nun zu jeder Gelegenheit heißen: „No Worries, Mate“.
Christian Gögler
by Adlerkeller | 15. April 2004 | Presse
Christian Überschall, diesmal voll überzeugend
Das eigentliche Wunder von Bern, so ist sich zumindest Christian Überschall absolut sicher, das hat sich nicht erst im Sommer 1954 zugetragen, sondern schon im November 1942. Da kam er im Berner Oberland auf die Welt – was an sich schon Wunder genug sei. Was ihn endgültig zum Wunder von Bern wer den ließ, ist seine wundersame Wandlung vom schnöden Steuerberater zum renommierten Kabarettisten.
Diesmal brachte der eidgenössische Sprachkundler „das Beste aus zwölf Jahren Kabarett“ mit in den ausverkauften Adlerkeller – und lieferte eine überzeugende Vorstellung ab. Was auch in Ordnung war, schließlich hatte er beim Kauf teurer Publikum noch etwas gutzumachen: Anfang Januar ging der Test seines neuen Programms „Hotline“ noch gründlich in die Hose, Überschall musste es vor der Pause stoppen. Sein „Best of“ dagegen war perfekt vorbereitet, der satte Applaus verdient. Immer wieder ein Genuss: Die linguistischen Betrachtungen und ethnologischen Studien des (in Ehren ergrauten) Eidgenossen.
Das politische Kabarett ist Überschalls Sache allerdings nicht, auch wenn er sich den einen oder anderen Seitenhieb gegen die Mächtigen im Land nicht verbeißen kann.
Wer wie Überschall ausgerechnet 1968 nach München zieht, dem ist in dieser Hin sicht sowieso nicht mehr zu helfen. Wer dann auch noch hängen bleibt, an dieser . „Mischung aus Raiffeisen und Armani“ (Über schall), muss masochistisch veranlagt sein – oder eben Kabarettist. Denn der hat auch an der Isar genug zu lachen, schon allein, weil es dort auf so typische Vertreter der Gattung homo monacoensis trifft wie Fritz Wepper: „Immer leicht aufgeschwemmt, aber irgend wie doch kernig“.
Überschall ist ein Entertainer der ruhigen Art, der spielend und wortgewandt vom derben Humor zur leichten Ironie wechselt und sein Publikum dabei nicht wildgewordener Gestik und Mimik überfordert.
Wie der Münchner Schriftsteller Herbert Rosendorfer ist Christian Überschall in der Lage, einen messerscharfen Blick von ganz weit oben auf das sonderbare Verhalten der Zweibeiner dort unten auf der Erde zuwerfen. Dabei stößt fast er zwangsläufig auf Kuriositäten des Alltags, die die meisten von uns vor lauter Geschäftigkeit gar nicht mehr wahr nehmen.
Allgäuer Zeitung – Otto Fritsch
by Adlerkeller | 13. März 2004 | Presse
„Maigrets erste Untersuchung“ als Lesung bei Satchmo’s
Links, da sitzt einer der sieht aus wie er. Wie Maigret, Jules Maigret, der größte Pariser Kommissar. Pfeife im Mund, ein dunkles Gewand, ein wenig griesgrämig blickend. Einer in den spärlich besetzten Zuschauerreihen bei Uncle Satchmo’s. Gespannte, aufmerksame Stille liegt in der Luft, dann kommen die zwei Schauspieler aus Berlin mitten durch das Publikum hindurch auf die Bühne. Uwe Neumann und Anette Daugardt geben „Maigrets erste Untersuchung“, eine Leseperformance, die mehr Publikumsresonanz verdient hätte.
Daugardt und Neumann sitzen auf der Bühne, ungeschminkt, in Alltagsklamotten, neben sich zwei Bistrotische, diverse Utensilien darauf, jeder das Buch in der Hand. Reduktion als Stilmittel. Und so beginnen sie den Roman von Georges Simenon zu lesen und zu leben, gewissenhaft und logisch, ohne Brüche, auf 90 Minuten heruntergekürzt. Dies ist nicht der erste Maigret-Roman von Simenon, der zu den meistgelesensten Autoren der Welt zählt. „Maigrets erste Untersuchung“ entstand 1948, 18 Jahre nach dem ersten. Und so ist dieser Maigret noch jünger als der durch Verfilmungen bekannt gewordene Kommissar mit der Pfeife und mürrischem Gesicht. Hier ist Maigret noch Sekretär des Kommissars Maxim Lebret, ein Anfänger also, ein unsicherer und ängstlicher noch dazu.
Dabei ist dieser erste Fall ein Politikum. Denn gelöst werden darf er nicht, zu reich ist die Pariser Gesellschaft um 1910. Und da Geld die Welt regiert, unterschlägt Maigrets Chef höchstpersönlich die Ermittlungen, die Wahrheit wird frisiert, die Mörderin wurde laufen gelassen. Maigret nun also bekommt in seinem Kommissariat Besuch von einem Flötisten, der gehört haben will wie im Hause der reichen Familie Gendreau-Balthazar jemand erschossen worden ist. Beweise dafür gibt es zunächst nicht, doch Maigret glaubt dem einzigen Zeugen und erhält von seinem Chef, selbst befreundet mit der betroffenen Familie, die Erlaubnis, verdeckt zu ermitteln. Es geht ums Geld und um Status. Der verstorbene Hector Balthazar hat in seinem Testament seine Enkelin Lise reich bedacht. Deren Bruder Richard ist darüber wenig erfreut, in der Familie entstehen grobe Zwistigkeiten. Zudem wünscht man sich eine Erhebung in den Adelsstand, weshalb Lise einen verarmten Grafen heiraten soll, der wiederum im Rotlicht-Milieu zuhause ist und sich dem Wunsch verweigert – sein Todesurteil.
Jedem das seine
Uwe Neumann ist Maigret und Erzähler in einem. Mit Brauen, die er über die Augen wulstet, mit Stirnfalten, und manchmal auch mit kindlich offenem, naiv überraschtem Lächeln verleiht er seinem Jules Maigret Leben. Schön, wie er mit der Verunsicherung des Kommissars spielt, und sich die Selbstironie des jungen Ermittlers zu eigen macht. Neben Neumann schlüpft Anette Daugardt in all die anderen Rollen des Romans, flott, präzise und mit viel Liebe zum Detail. Dabei bedient sie sich ihrer variationsreichen Stimme und kleiner Hilfsmittel: Jede Figur bekommt ein Accessoire. Maigrets Chef etwa hält immer eine Zigarette in der Hand, der Flötist schnupft seine ständig triefende Nase in ein Taschentuch, das laszive Dienstmädchen Germaine hält ein Likörgläschen in der Hand, der Werkstattbesitzer Dee-Dee einen Autoschlüssel, der Wirt einen Zahnstocher – Wiedererkennungswert fürs Publikum. Die Dialoge wurden so gekürzt, dass sie sich wie Theaterszenen in die Erzählung einfügen.
Am Ende: Hach, wie ist einem dieser Maigret ans Herz gewachsen, und Paris und alle anderen Figuren, selbst die Gauner. Und wie traurig, dass das Geld gewonnen hat und nicht die Gerechtigkeit. Maigret erhält eine neue Chance als Kommissar in einem anderen Pariser Quartier. Und wie wir wissen, durfte er von nun an viele Fälle lösen.
Simone Schatz
by Adlerkeller | 6. März 2004 | Presse
Die Kaufbeuren-Premiere von „Hiss“ bei Uncle Satchmo’s
Auch im schnelllebigen Kulturbetrieb kann sich Geduld noch auszahlen: Zwei Jahre war Yvonne Rech hinter der Band her, bis es endlich mit dem Auftritt der fünfköpfigen Gruppe „Hiss“ im Uncle Satchmo’s klappte. Und das lange Warten auf die neue „Hiss“-CD „Polka für die Welt“ und Stücke wie „Heimatklänge aus dem Hindukusch“ hat sich mehr als gelohnt.
Schon beeindruckend, mit welcher Präzision die Südstaaten-Schwaben von „Hiss“ ans Werk gehen: Glasklare Ansagen, perfekte Intonation, jeder Akkord, jeder Chor-Einsatz kommt in Studioqualität rüber. Und wenn man schon glaubt, es geht nicht mehr besser, gibt’s als Draufgabe noch eine bluesig-satte Mundharmonika-Einlage zum Niederknien. Verständlich, dass sich manche
„Hiss“-Fans keinen Auftritt entgehen lassen, selbst wenn dafür ein paar Hundert Kilometer abgespult werden müssen.
Dass sich die fulminante Fünfer-Combo dabei der Einordnung in eine Stilschublade entzieht, hat Methode. Bandleader Stefan Hiss und seine Mannen sind Globetrotter in Sachen Musik. Südstaaten-Rock, Polka, Country, Klezmer, Cajun, Märsche, Balladen, Volkslieder und und und: Was gefällt, wird eingebaut. Hauptsache, der Rhythmus stimmt und es steckt so richtig Dampf
dahinter. Das musikalische Spektrum der Band sprengt jede Schublade. Selbst der Allzweckbegriff „Worldmusik“ greift hier nicht. Diesen Sound gibt’s vielleicht im Fahrstuhl, aber nicht bei „Hiss“.
Kein Platz für die Polka
Nur bei den Texten herrscht Einigkeit: Es geht um das Leben, die Liebe und den Schmerz. Themen eben, die ewig währen, mitwachsen und auch gestandenen Profimusikern immer neue Interpretationsmöglichkeiten bieten. Der einzige Wermutstropfen der gelungenen Kaufbeuren-Premiere von „Hiss“:
Zum Polka-Tanzen fehlte der Tanzboden und ein paar Leute mehr hätten sicherlich auch in die Kellerbühne gepasst. Das wird sich bis zum nächsten Auftritt der schrägen Band aus dem Süden sicher noch ändern.
Allgäuer Zeitung, 06.03.2004 – Otto Fritsch
Foto: Langer
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