Etwas Leder hat jeder

Große Travestie in kleiner Stadt: Kylian und Mandy

Kaum zu glauben. Sie gastieren in den USA, in Kanada und in der Karibik – und sind jetzt im Rahmen ihrer Europa-Tournee mit ihrer neuen Revue „Show-Bizz“ ins Allgäu gekommen. Mandy und Kylian, Travestiekünstler aus Frankreich, konnten nach dreijährigem Bemühen und mehreren Absagen tatsächlich vom Uncle-Satchmo-Team für die Kaufbeurer Kellerbühne gewonnen werden.

Kylian und Mandy stehen seit vier Jahren gemeinsam auf der Bühne und sind auch privat ein Paar. Als Mandy hüftschwingend von
Tisch zu Tisch stolzierte, blieb natürlich kein Auge trocken. Ein Herr im gestreiften Hemd bekam zu hören: „Ach, wie süß, ich liebe Streifenhörnchen, die haben immer so einen buschigen Schwanz!“ Das Publikum, zu nächst etwas irritiert ob einer solchen Offensive, wurde im Laufe des Abends aber immer lockerer, so dass die Lachmuskeln kräftig trainiert wurden. Mit glitzernden Kostümen verwandelte sich das Duo in Sekundenschnelle von Priester und Nonne in David Copperfield und Assistentin oder von der Traumschiff-Besatzung im Matrosen-Look in rock’n’rollende Meerjungfrauen, die trotz Fischschwanz eine heiße Flosse aufs Parkett legten.

Der Akt des Priesters, der an die „Gemeinde“ das Abendmahl in Form von „Hostien“ austeilt, könnte zarten Seelen vielleicht etwas blasphemisch erschienen sein. Aber dann er schien auch noch „Luzifer“, der mit teuflischer Fratze und Fackeln schwingend für Gänsehaut sorgte und als Erschaffer der Unterwelt folgende Botschaft von sich gab: „Am letzten Tag erschuf ich die Toleranz gegen über allen Lebensformen, die uns zunächst sonderbar erscheinen.“ Im Zuge dieser Szene vollzog sich nach und nach eine atemberaubende Metamorphose vom dunklen Herrscher des Bösen zum strahlenden, blond gelockten Engel.

Elemente aus der „Rocky Horror Picture Show“ waren für Kylian und Mandy der Anlass, im Publikum doppeldeutig nachzufragen: „Stehen Sie denn auch ein bisschen auf Lack und Leder? Nein? Wohl auch keine Lederschuhe zuhause oder vielleicht’nen Ledergürtel?“ Höhepunkt war sicherlich der Auftritt Kylians als Männer-Stripper, wobei er schon mal das Publikum beim Entkleiden behilflich sein ließ. Dem Zuschauer offenbarte sich ein makelloser Körper, doch blieb einkleiner Rest verborgen. Kylian verließ die Bühne mit einer bedeutungsvollen Geste, die darauf schließen ließ, dass es sich nicht lohnen würde, „alles“ zu zeigen und dadurch Illusionen zu zerstören. Ob Joe Cocker, Tina Turner, Tarzan und Jane, Mambo-Queen oder Carmen, jeder der Auftritte war überwältigend inszeniert, wobei die Künstler durch Übertreibung von den Originalen abrückten und sie dadurch karikierten.

Als das Publikum nach Zugabe verlangte, zeigte sich Mandy humorvoll widerwillig: Das is ja wie aufm Arbeitsamt!“ Die Szene,
die sich dann dem Publikum bot, war ergreifend, mutig und authentisch. Mandy und Kylian im Bademantel mit dem Rücken zum Pu
blikum, sich abschminkend. Als sie sich um drehten, wurde das Geheimnis gelüftet. Mandy und Kylian in Jeans und bloßem Oberkörper – zwei ganz normale Männer. Sollte es dem Uncle Satchmo’s noch einmal gelingen, die beiden international bekannten Travestie künstler in unsere kleine Stadt zu locken, dann sollte man sich diese Show nicht entgehen lassen.

Allgäuer Zeitung, 27.02.2004 – Cornelia Wagner

Sau macht den Superlativ

Sau macht den Superlativ

Angelika Sedlmeier war mal wieder bei Uncle Satchmo’s

G’schert ist sie immer, boshaft auch ganz gern, banal nur, wenn es unbedingt sein muss, wenn’s halt passt: Die g’scherte Angie alias Angelika Sedlmeier ist mittlerweile schon Stammgast im Uncle Satchmo’s. Auch beim jüngsten Auftritt enttäuschte die Schauspielerin und Kabarettistin aus München ihre Allgäuer G’stanzl-Fans nicht.

Ob im urigen Gewölbe des Kaufbeurer Kulturkellers oder bei ihren Fernsehauftritten als Kellnerin Angle in „Uttis Schlachthot“: Ihr Geheimnis ist die unmittelbare Präsenz. Die Seldlmeier tritt auf, sie schleicht sich nicht auf die Bühne. Und hat ihr Publikum von Anfang an im Griff. Alte G’stanzln zum Lachen (und zum Nachdenken), dazu kurze Dialoge namhafter Autoren wie Herbert Rosendorfer, und hin und wieder eine Gesangseinlage. Alles im Dialekt, vorgetragen von einem Weibsbild wie aus dem Bilderbuch für Heimatpfleger. Bei der Sedlmeier kommen auch die Dirndl-Lieb­haber auf ihre Kosten. „Zuerst das Bier und das Bayerische, dann der Sex“, sagt sie in der Pause und holt so tief Luft, dass man Angst ums Dirndl bekommt. Kein Wunder, denn gleich danach wird sie unter anderem auf einen „petroversen Dingsvorzeiger“ treffen.

Das Programm, eine Mischung aus Boshaftem und Banalem, beinhaltet auch eine Menge Kulturtipps für alte Zugereisten, denn die Solo-Entertainerin ist schließlich in ganz Deutschland unterwegs. So erzählt die Sedlmeier auch, was ein gestandener Allgäuer schon immer weiß und täglich respektiert: Dass die Sau nun mal den Ton angibt im Dialekt, besonders bei den Superlativen. Und von denen gibt es bekanntermaßen unzählige, um nicht zu sagen saumäßig viele.

Man beachte den Unterschied

Lernen konnten die Kaufbeurer dafür, wie es wirklich zuging bei Noahs bierseliger Begegnung mit dem Vater aller Starkbiere, dem Salvator, damals im „Archenschiff am Nockerberg“. Oder auch, dass man penibel auf die Eigenheiten des Bayrischen achten muss, besonders, wenn es um die Vergangenheit geht: Da heißt es eben „g’forchten“, wenn man sich gefürchtet hat, Aus und Amen.

 

Allgäuer Zeitung, 14.11.2003 – Otto Fritsch

Am Ende wird meist getanzt

Am Ende wird meist getanzt

Im Uncle Satchmo’s finden Klassik und Kuba zusammen

„Classic meets Cuba“ ist ein Projekt des Crossover-Trios ..Klazz Brothers“. Kilian Forster (Bass), Tobias Forster (Klavier) und der Schlagzeuger Tim Hahn haben sich hierzu mit zwei kubanischen Percussionisten zusam­mengetan und klassische Kompositionen mit Jazzelementen und lateinamerikanischen Rhythmen kombiniert. Für ihre erfolgreiche CD „Face to Face“ wurden sie kürzlich mit dem Echo-Klassik-Preis ausgezeichnet. An­lässlich des Auftritts der fünf Musiker am heu­tigen Abend im Uncle Satchmo’s (20 Uhr) sprachen wir mit Bassist Kilian Forster.

Degradieren Sie in Ihrem Projekt„Classic meets Cuba“ nicht die klassische Musik zum bloßen Melodienlieferanten?

Forster: Wir haben einen Heidenrespekt vor den alten Komponisten. Ich und mein Bruder Thomas, wir sind ja auch klassische Musiker, spielen diese Musik in der Hälfte un­serer Zeit. Also ist von daher schon eine enge Beziehung zur klassischen Musik vorhanden. Im Übrigen verwenden wir bei „Classic meets Cuba“ nicht nur die Melodien klassischer Werke, sondern auch Formen, Motive und andere Strukturen. Solche Übernahmen ha­ben die Komponisten auch selber angewandt, etwa indem sie Themen älterer Kollegen zu Variationen verarbeitet haben.

Nummern Ihres „Classic meets Cuba“-Re­pertoires wie die Kopfsätze von Mozarts g­ Moll- und Beethovens fünfter Sinfonie oder der„Hummelflug“ von Rimsky-Korsakov le­gen die Vermutung nahe, dass Sie bei der Auswahl der Kompositionen stark auf deren Bekanntheitsgrad geachtet haben?

Forster: Unter Marketinggesichtspunkten ist das sicher ein günstiger Nebeneffekt unse­res Projekts. Aber man muss sich eben auch fragen, weshalb sind diese Stücke so be­kannt? Einfach weil es mit die besten Stücke der Komponisten sind. Nur weil sie im Rund­funk und anderswo rauf und runter genudelt werden, heißt das doch nicht, dass diese Stü­cke ungeeignet sind für ein Projekt wie das un­sere.

Was für ein Publikum spricht „Classic meets Cuba“ an?

Forster: Wir haben mal eine Umfrage ge­macht und dabei festgestellt, dass etwa 50 Pro­zent des Publikums von der Klassik kommen, 30 Prozent vom Jazz und 20 aus dem Salsa-La­ger. Interessant ist auch, dass unser Publikum durch alle Generationen reicht, vom jungen Salsa-Tänzer bis hin zur Großmutter, die klas­sische Musik liebt. Und trotz der unterschied­lichen Zusammensetzung des Publikums war es bei unseren Konzerten noch meistens der Fall, dass zu unserer Musik auch getanzt wur­de.

Classic meets Jazz

Classic meets Jazz

Die Herren bitten zum „Mambozart“

Um das dicke Lob gleich vorwegzunehmen: Sie machen technisch erstklassige Musik, die drei Klassik-Jazzer an Piano, Bass und Schlag­zeug, zusammen mit den zwei Kuba-Perkus­sionisten. Auf ihrer aktuellen Herbst-Tournee quer durch Deutschland stellen sie abwech­selnd ihre zwei CDs vor: Im ausverkauften Uncle Satchmo’s (wie demnächst in Berlin und München) war „Classic meets Cuba“ zu hören, während in Leipzig, Neuburg oder Re­gensburg „Jazz meets Cuba“ auf dem Pro­gramm steht.

Die klug ausgedachte Zweiteilung macht Sinn, ist aber nicht ohne Delikatesse. Denn kein Jazzfan wird etwas gegen kubanische Rhythmen mit jazzigen Melodien und umge­kehrt haben. Afro-kubanischer Jazz gehört seit Dizzy Gillespie, also seit einem halben Jahrhundert, zum Repertoire jeder anspruchs­volleren Jazzband mit Stilspektrum. Ganz an­ders liegt der Fall bei dem modischen Cross­over-Geschäft der Vermarktung hierzulande populärer Klassik-Werke mit Jazz- oder Pop-­Elementen, sprich Schlagzeug und Bass. Da stellen sich so manchem Klassikfreund die Nackenhaare gleich büschelweise auf. Gott sei Dank „verbraten“ die „Klazz Brothers“ To­bias Forster (Klavier), Kilian Forster (Kontra­bass) und Tim Hahn (Schlagzeug) beispiels­weise Mozarts g-Moll-Sinfonie (Nr. 40) auf originelle Weise. Nämlich von vornherein auf den Kopf gestellt als „Mambozart“, will hei­ßen Mambo – superstark, an 4 (!) Congas Elio Luis und an den Timbales sowie Bongos Alexis Estevez – unter Verwendung von Me­lodieteilen Mozarts.

Trotzdem Argumente gefällig gegen solche „Fusion“ von deutscher Klassik und Kuba­-Folklore mit scheinheiligem Schielen aufs größere Publikum? Mozart oder auch Beet­hoven haben eben ganz bewusst nicht mit Schlagwerk arrangiert. Denn diese Sonaten und Sinfonien sind voll von rhythmischen Spannungen, feineren Feelings und Akzen­ten, die gerade dadurch wirken, dass sie nicht ge- und zerschlagen werden. Deshalb ist es nur logisch, wenn die Musik der „Klazz Brothers“ immer dann wirklich gut ist und auch den Kenner überzeugt, wenn sie das klassische Material weitgehend verfremdet. Solchem Anverwandeln kommen etwa die Ungarischen Tänze von Brahms oder Bizets Habanera besonders entgegen: als waschech­te Salsa, garniert mit berückend folkigen Kla­vier-Montunos, nicht zu reden von den einge­streuten Könner-Soli an Bass, Drums, Congas und Timbales. Hand aufs Herz, ihr Klazz Brothers, wären euch persönlich nicht mehr eigene Kompositionen lieber als die „olle Klassik“ (so Moderator Kilian Forster) im Schlepptau? Dann könntet Ihr auch den bra­ven Chorknaben-Look (schwarzer Anzug, enge Krawatte) mit farbigeren, bequemen Jazz-Klamotten vertauschen. Bestimmt nicht zum Schaden eurer hervorragenden Musik.

 

Rainer Schmid, Kaufbeuren

 

Classic meets Jazz

Classic meets Jazz

Ein Quintett macht den Mambo zart

Ihre Stücke tragen Titel wie „Mambozart“ oder „Salsa Nr.5“, und dahinter verbergen sich Melodien und Motive aus Mozarts großer g-Moll- oder Beethovens fünfter Sinfonie, gespielt jedoch nicht von einem großen Orchester, sondern von einem Trio mit Klavier, Bass und Schlagzeug und begleitet von kubanischen Rhythmen. Die „Klazz Brothers“ aus Deutschland und ihre Partner von „Cuba percussion“ zeigten im Uncle Satchmo’s jedenfalls, wie solch ein „Classic meets Jazz“-Projekt zu funktionieren vermag.

Langer

Ein Mann mit Defekten

Ein Mann mit Defekten

Christian Überschall vollzog „Quickies“ im Uncle Satchmo’s

Kaufbeuren Der in der Schweiz geborene und seit 1968 in München lebende Kabarettist Christian Überschall hat es sich zur Tradition werden lassen, jedes Jahr im Januar (jetzt war es das vierte Mal) im Uncle Satchmo’s mit einem neuen Programm aufzuwarten und das Publikum einen Abend lang in Beschlag zu nehmen. Lässig und mit trockenem Humor trug Christian Überschall sein neues Programm „Quickies“ vor. Dabei deckte er mit seinen vielseitigen Betrachtungen, Beobachtungen und Ansichten die ganze Buchstabenpalette von A bis Z ab: was beim „Auto“ anfing, führte über „Ehe“, „Humor“, „Kommunikation“, „Sex (Schweiz)” bis zur „Zuzibilität“ (von „zuzeln“, was Überschall so erklärt: „sich mit den Lippen unter Vakuumbildung an einem normalerweise zylindrischen Objekt – Weißwurst – zu schaffen machen“). Zur gelungenen Abwechslung seiner „Sprüche bzw. Aphorismen“ gab Überschall am Klavier „Beatles“-Songs zum Besten.

Hervorzuheben aus seinem Programm ist vor allen Dingen die Problematik der zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem zwischen den Geschlechtern. Überschall bringt hierbei unter anderem die Probleme des Alltags und die Verhaltensweisen von Mann und Frau anschaulich auf den Punkt, sodass sich das Publikum darin wiederfinden kann: „Das Wichtigste in einer Beziehung ist Ehrlichkeit. Wenn du das vortäuschen kannst, ist alles bestens.“ Auch das Biografische kommt bei Überschall nicht zu kurz. Locker plaudert er aus dem Nähkästchen über sich und die Beziehung zu seiner Frau. Bei den autobiografischen Fakten nimmt sich Überschall selbst aufs Korn und gibt mit Selbstironie seine „persönlichen Defekte“ und Erlebnisse zum Besten: „Ich bin in einer total aggressionslosen Familie aufgewachsen: Das Aggressivste, was bei uns zu Hause abgelaufen ist, war eine Partie Scrabble, und selbst da hat man dem Gegner noch geholfen – statt ihm beim Aufheben eines Klötzchens auf die Finger zu treten!“

Überschall weiß souverän auf sein Publikum zu reagieren und es miteinzubeziehen. Dabei greift er spontan Reaktionen auf, sodass das Publikum teilweise an seinem Kabarett-Programm mitbeteiligt ist und die Distanz zwischen Bühne und Auditorium schwindet. Die Zuhörer kamen denn auch auf ihre Kosten, was sie durch spontanes Gelächter dem Vortragenden dankten. Überschalls „Quickies“. Aufzeichnungen eines Stadtteilneurotikers.“ sind als Taschenbuch im Anderland Verlag erschienen. Es ist jedoch zu empfehlen, die „Quickies“ live zu erleben, da sie durch Überschalls Präsenz und seinen trockenen Vortrag wesentlich eindrucksvoller zur Geltung kommen.

 

24.01.2003, Kristiane Klein