Ein Mann mit Defekten

Ein Mann mit Defekten

Christian Überschall vollzog „Quickies“ im Uncle Satchmo’s

Kaufbeuren Der in der Schweiz geborene und seit 1968 in München lebende Kabarettist Christian Überschall hat es sich zur Tradition werden lassen, jedes Jahr im Januar (jetzt war es das vierte Mal) im Uncle Satchmo’s mit einem neuen Programm aufzuwarten und das Publikum einen Abend lang in Beschlag zu nehmen. Lässig und mit trockenem Humor trug Christian Überschall sein neues Programm „Quickies“ vor. Dabei deckte er mit seinen vielseitigen Betrachtungen, Beobachtungen und Ansichten die ganze Buchstabenpalette von A bis Z ab: was beim „Auto“ anfing, führte über „Ehe“, „Humor“, „Kommunikation“, „Sex (Schweiz)” bis zur „Zuzibilität“ (von „zuzeln“, was Überschall so erklärt: „sich mit den Lippen unter Vakuumbildung an einem normalerweise zylindrischen Objekt – Weißwurst – zu schaffen machen“). Zur gelungenen Abwechslung seiner „Sprüche bzw. Aphorismen“ gab Überschall am Klavier „Beatles“-Songs zum Besten.

Hervorzuheben aus seinem Programm ist vor allen Dingen die Problematik der zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem zwischen den Geschlechtern. Überschall bringt hierbei unter anderem die Probleme des Alltags und die Verhaltensweisen von Mann und Frau anschaulich auf den Punkt, sodass sich das Publikum darin wiederfinden kann: „Das Wichtigste in einer Beziehung ist Ehrlichkeit. Wenn du das vortäuschen kannst, ist alles bestens.“ Auch das Biografische kommt bei Überschall nicht zu kurz. Locker plaudert er aus dem Nähkästchen über sich und die Beziehung zu seiner Frau. Bei den autobiografischen Fakten nimmt sich Überschall selbst aufs Korn und gibt mit Selbstironie seine „persönlichen Defekte“ und Erlebnisse zum Besten: „Ich bin in einer total aggressionslosen Familie aufgewachsen: Das Aggressivste, was bei uns zu Hause abgelaufen ist, war eine Partie Scrabble, und selbst da hat man dem Gegner noch geholfen – statt ihm beim Aufheben eines Klötzchens auf die Finger zu treten!“

Überschall weiß souverän auf sein Publikum zu reagieren und es miteinzubeziehen. Dabei greift er spontan Reaktionen auf, sodass das Publikum teilweise an seinem Kabarett-Programm mitbeteiligt ist und die Distanz zwischen Bühne und Auditorium schwindet. Die Zuhörer kamen denn auch auf ihre Kosten, was sie durch spontanes Gelächter dem Vortragenden dankten. Überschalls „Quickies“. Aufzeichnungen eines Stadtteilneurotikers.“ sind als Taschenbuch im Anderland Verlag erschienen. Es ist jedoch zu empfehlen, die „Quickies“ live zu erleben, da sie durch Überschalls Präsenz und seinen trockenen Vortrag wesentlich eindrucksvoller zur Geltung kommen.

 

24.01.2003, Kristiane Klein

Und alle haben sich wirklich total lieb

Und alle haben sich wirklich total lieb

Die Alt-Revoluzzer Weiss und Sommerwerk bieten sanften Humor und feinen Spott

Kaufbeuren Trollius Weiss ist Preuße, Willi Sommerwerk ist Bayer. Beide sind Liedermacher, und zusammen waren sie im Kaufbeurer „Uncle Satchmo’s“ zu Gast. Weiss und Sommerwerk gehören zu einem Berufsstand, der nicht gerade dafür bekannt ist, größere Vorurteile mit sich herumzutragen. Der Beruf des Liedermachers, so jedenfalls will es das Klischee, entstammt einer Zeit, als alle Menschen noch irgendwie Brüder waren, sich auf riesigen Freiluftkonzerten namens Woodstock trafen, um dort gemeinsam und total friedlich größere Mengen narkotisierender Hanfprodukte zu konsumieren. Nicht zu erwarten ist andererseits, dass der jeweils eine nicht damit klar käme, dass der jeweils andere Bayer beziehungsweise Preuße ist. Aber darauf kommt es gar nicht an. Wichtig ist, dass ein Grundthema vorhanden ist, aus dem sich trefflich Witze fabrizieren lassen.

Mehr als ein Aufhänger allerdings, ein Motto, das man als Aushängeschild vor sich hertragen kann, sollte diese Thematisierung der bayerisch-preußischen Erbfeindschaft aber wohl nicht sein. Das wurde jedenfalls schon zu Beginn des Abends schnell klar. Weiss & Sommerwerk gehören einer Generation an, in der sich alle total lieb haben (außer Fundis und Realos) und man allenfalls ganz sanfte Witze über einander machen würde, die man noch dazu in ganz dicke Anführungszeichen setzt, damit der Angesprochene auch ja nichts missverstehen kann. Andererseits ist so eine Grundhaltung auch nicht von Nachteil. Weiss und Sommerwerk tun niemandem weh, ihre Ironie verletzt nicht und sie ist vor allem nicht aggressiv, nicht laut, nicht dominant. Hier haben sich zwei auf alte Werte besonnen und gehen mit feinem Spott und sprachlicher Sorgfalt zu Werke.

Hit des Abends ist sicher das „Basis-Chakra“ von Trollius Weiss. In einen einzigen Song hat Weiss den gesamten Grundwortschatz der Esoterik-Szene gepackt, er entlarvt ihre nicht selten hohle Terminologie und erzählt nebenbei eine höchst witzige Nonsens-Geschichte. Auch nicht schlecht ist die Ballade von der Deutschen Revolution, die an einem Dienstagmorgen um 10 Uhr stattfinden soll. Leider hat an einem gewöhnlichen deutschen Dienstagmorgen niemand Zeit zum Revolution machen, weil alle Menschen mit sich selbst beschäftigt sind. Für einen überzeugten Alt-68er ist das natürlich ein unerträglicher Zustand, schließlich hat man selbst die besten Jahre geopfert, um der Revolution auf die Füße zu helfen.

Auch TV-Voyeurismus, Psychotherapie oder Internet-Manie geben ähnlich dankbare Themen für Songs ab, die immer mit präzisem Sinn für den sprachlichen Witz ins Werk gesetzt sind: „Du bist meine Vollversion – mein Gigaher(t)z fliegt himmelwärts“ heißt es im „Online-Lover“, einem Song, der das „digitale Liebestrauma“ einer ganzen Generation auf die Schippe nimmt. Dazwischen gibt es immer wieder lange, sanfte Balladen und Liebeslieder, Reminiszenz an eine Zeit, als Reinhard Mey noch ganze Generationen verzauberte – Generationen, die es natürlich immer noch gibt, ein wenig älter, ein wenig ruhiger geworden. Schöne, gefühlvolle Stücke für Menschen, die so etwas eben mögen. Das Publikum im „Satchmo’s“ ließ sich verzaubern und war sichtlich angetan von den Träumereien wie vom sanften Humor der beiden sympathischen Songpoeten.
André Krellmann

TicTacToe und Smetanas Moldau Oder Bach gegen Schröder:

Musikalischer und kabarettistischer Cross Over

Dr. Ernst Spähmann ist Musikprofessor. Er hasst Schroeder https://phonelookupbase.com , Hermann Schroeder, dessen Orgelwerke er als
Schüler schon nicht mochte. Dr. Spähmann parodiert heute Kanzler Schröder. Parodiert er auch sich selbst? Ist es Kabarett? Oder Nonsens? Oder ist das alles Programm? Dr. Spähmann ist Walter Dolak das jedenfalls ist Tatsache. Dass er virtuos mit dem Piano umgehen kann, ebenfalls. Und dass er vor Ideenreichtum nur so sprüht, auch. Die Gäste im Uncle Satchmo’s finden die Politik-Musik-Show gut, wenn es auch ein wenig dauert, bis das Publikum mitgeht.

Aber der Reihe nach: Kanzler Schröder richtet also sein Grußwort ans Publikum und ist schon im rot-grünen
Fahrwasser: Erneuerung bedeutet für ihn neue Schulden, neue Abgaben und Solidarität ist die Chance, ja das Recht für jeden, arbeitslos zu werden. Dafür stehen wir! Dolak wechselt ans Klavier. Weiter geht’s mit bekannten Liedern (Horch was kommt von draußen rein) und dem Türkischen Marsch von Mozart, aus denen er die orientalischen Elemente herausarbeitet. Der Musikprofessor meint jedoch, in heutigen Zeiten seien diese in Anbetracht der Gefahren aus dem Nahen Osten mit Vorsicht zu genießen. In einem Liederbuch von 1960 findet er das Stück Erwachet ihr Schläfer (Hoffentlich hört das keiner!), das er mit seinem Musikkollegen Georg Wolf auf außergewöhnliche Weise zum Besten gibt. Während Dolak am Klavier die Originalmelodie spielt, demonstriert Wolf auf dem Vibraphon, dass darauf auch Jazzklassiker wie How high the Moon oder etwa Tuxedo Junction projiziert werden können. Schwer zu spielen in einem mit Schwierigkeiten gespickten Stück, das vor Trillern, Prallern und Synkopen nur so strotzt. Leicht schulmeisterlich.

Ein Thema mit zahllosen Variationen bietet der Vergleich von klassischen Stücken mit Pop-, Rock- und Werbejingles. Alle meine Entchen kommt in Smetanas Moldau vor, aus Mozarts Rondo hat Andrew Lloyd Webber Jesus Christ Superstar gemacht und aus einem Brahms, den er nicht so schnell spielen konnte, wurde Don’t cry for me Argentina, erklärt Professor Spähmann etwas schulmeisterlich. Da kann er dann doch seine eigentliche Profession nicht verbergen, unterrichtete er doch einst als verbeamteter Musiklehrer Schüler verschiedener Gymnasien. Endlich darf dann Georg Wolf nochmal in Aktion treten als afrikanischer Juruba-Mann, am Vibraphon mit bluesigem Gesang und am Schlagzeug. Mit seinem herausragenden Trommelsolo Die Zeit vor der Zeit entführt er das Auditorium in die Urwelt, die Urzeit, den Ursprung. Dann ist Spähmann wieder zu Parodien aufgelegt. Schily, Stoiber, Herzog oder Rudolf Scharping, den er besonders gut drauf hat, kommen zu Wort. Durchsetzt sind diese Imitationen vom Klassik-Pop cross-over. Die Überraschungseffekte, beispielsweise den TicTacToe-Hit Ich find dich scheiße in Johann Sebastian Bachs c-Moll-Präludium wiederzufinden, kommen gut an. Überhaupt, mit Vergleichen von Bachs Präludien mit zeitgenössischer populärer Musik, kann Walter Dolak gar nicht mehr aufhören.

Trotz aller Ideen, eine Straffung des Drei einhalb-Stunden-Auftritts würde allen gut tun, kämen so doch die Höhepunkte besser zur Geltung. Das fürs nächste Programm.

23.11.2002, Gabriele Klauer

Eine gelungene Jubiläumsfeier

Spaß, gute Musik und schöne Preise zum Fünfjährigen

Anlässlich seines fünfjährigen Bestehens veranstaltete das Uncle Satchmo´s eine Benefizgala mit internationalen Künstlern, die im Laufe der vergangenen Jahre in Kaufbeuren zu Gast waren. Der Erlös der Veranstaltung ging an Vita, die Initiative zur Unterstützung von Angehörigen Demenzkranker.

Bis in die späten Nachtstunden war ein abwechslungsreiches Programm geboten. Den Anfang machte die Hausband San Francisco, die mit Unterhaltungsmusik das Publikum in Feierstimmung brachte.

No worries mate entfachten mit mystischen Digeridooklängen Urlaubsgefühle. Nach zwanzig Minuten übergaben sie die Bühne der Band Die Schmiede. Mit akustischem Rock und bayerischen Texten brachten sie die Zuhörer wieder zurück ins Allgäu. Wir versuchen, mit mehr Sprache unserem Publikum die Musik
verständlich zu machen, betonte eines der Bandmitglieder. Gitarrist Helmut Lang aus Kempten brachte mit seinen selbstkomponierten Texten das Publikum zum Nachdenken.

Es war schon spät in der Nacht, als Musik- und Politikkabarettist Walter Dolak eine Passage aus seinem aktuellen Programm Bach meets Schröder, vorstellte. Der Kanzler mitten im Lokal, im Zwiegespräch mit seinem Kontrahenten Stoiber. Nach viel Musik konnte das Publikum nun kräftig lachen.

Von ungewöhnlicher Schubkraft war die Soulstimme von Sängerin Bärbel Kober, überzeugend das Können der Musiker von Blue&Green. Mit Coverversionen aus dem Bereich Rock, Soul und Blues hielten sie das Publikum bei Laune.

Viel Freude hatten auch die Gewinner der großen Tombola, bei der es immerhin Wochenendreisen und ein nagelneues Auto zu gewinnen gab. Die Gewinner waren genauso erfreut wie Ingrid Bischoff vom Verein Vita, die den Reinerlös der Eintrittsgelder und der Tombola entgegennahm. Mit einer Zaubershow und weiteren musikalischen Stücken ging weit nach Mitternacht ein anstrengender, jedoch auch erfolgreicher Abend zu Ende.

 

15.11.2002 – Linda Wiener