by Adlerkeller | 31. März 2001 | Presse
Am vergangenen Samstag war im Kaufbeurer Satchmo’s mal wieder ausverkauftes Haus angesagt für Charly Augschölls „Hotline“, die ihre neue CD „Take that Thing“ präsentierten. Soul, Reggae und Balladen aus eigener Feder beinhaltet das neue Programm, in bewährt kraftvollem Groove mit raffinierten Arrangements – vorwiegend funky und heiter, auch Salsa darf mal mitklingen. Für den rhythmischen Schmackes sorgen Max Kinker am Schlagzeug und Wolfgang Gleixner am Baß, während Thomas Bauer an den Keyboards in bewährter Manier für die Harmonie und die balladesken Elemente zuständig ist.
Charly Augschöll ging wie immer in die Vollen, an den Saxofonen ebenso wie mit Querflöte und Gesang. Soviel scheinbar unermüdliche Kraft, Tempo und Virtuosität der Artisten verlangen auch dem begeisterten Publikum einiges ab, und so forderte es schlussendlich leicht erschöpft wieder und wieder den Beweis nimmer endender musikalischer Potenz.
31.03.2001, Klaus Büttermann
by Adlerkeller | 30. März 2001 | Presse
Im Kaufbeurer Kellerclub Uncle Satchmo’s war am vergangenen Freitag einer der Altmeister des deutschen Kabaretts zu Gast: Klaus Peter Schreiner, seit 1955 aktiv, Hausautor der Münchner Lach- und Schießgesellschaft und langjähriger Mitstreiter von Dieter Hildebrand, regte mit seinem geschliffenen Wortaberwitz die literarischen Geschmacksnerven des begeisterten Publikums so fein an, dass es sich gar nicht satthören konnte.
Nach anfänglichen Versen über den männlichen Cabaret-Besucher ging Schreiner gleich voll in die Politik – die von Adenauers Wahlkampfplattitüden zwar aus dem Jahre 1957, als die junge Republik noch voller alter Nazibonzen steckte, die in der SPD den Garanten für den Untergang Deutschlands wähnten. Obwohl sie doch selbst darin Profis waren! Weiter ging der meistersati(e)rische Reigen dann über das neu definierte Märchen „Null Bock und die 7 Geißlein“ und die Poetik von Zeitungsüberschriften zur geistig-moralischen Wende von 1982, auf köstliche Weise in eine geophysikalische 90-Grad-Drehung der BRD umfunktioniert.
Weit gespannt und immer wieder hochaktuell blieb der Themenbogen bis zum Ende, und von Öko bis Mikroelektronik, vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit bis zum Behördenschwachsinn, von der Verpflichtung des Eigentums bis zum „Angstfreien Batiken mit Hildegard von Bingen“ weckte der Meister mit seinen Satiren das Verlangen nach mehr von dieser fast ausgestorbenen Art von geistvollem, feinem und dabei doch messerscharfem Kabarett. Die eingestreuten neuerzählten Märchen, etwa vom unerlösten Froschkönig oder vom geldmachenden Rumpelstilzchen, sind originell und voller überraschender Wendungen, die Reime erinnern in der Qualität an Kästner, Roth und Ringelnatz, und Schreiners Betrachtungen zu Fahne und Bettlaken sollte man direkt als Pflichtlektüre für alle Teilnehmer an der dämlichen Nationalstolzdebatte fordern.
Wenn dann ein höchst lebendiger, kluger und freundlicher älterer Herr wie Klaus Peter Schreiner schließlich, den Gehstock in der Hand, aus den vorgeschriebenen Minutenwerten für bestimmte Verrichtungen in der Altenpflege vorliest, schleicht ein Grauen durch den Raum, wie es echte Satire kaum erzeugen kann. Und man kann verstehen, dass der 70jährige für seine Grabinschrift vorschlägt: „Hier liegt ein Satiriker – es wurde immer schwieriker!“
Gut, dass er uns danach noch ein fröhlicheres Betthupferl mit auf den Weg gegeben hat!
30.03.2001 – Klaus Büttermann
by Adlerkeller | 5. Januar 2001 | Presse
Kaufbeuren Kunst, so lehrt die Erfahrung, ist eine Mischung aus Handwerk und Talent. Vieles an ihr kann man lernen, das entscheidende Quäntchen zur Perfektion aber muss der Künstler selber mitbringen, sonst wird es nichts mit ihm. In Berlin gibt es seit kurzem mit Richard Rogler den ersten Professor für Kabarett. In Zukunft also, so stellt man sich das vor, werden die Brettl-Bühnen von Diplomkabarettisten bevölkert, und Referenz-Presse und CDs, sondern auch Hochschulzeugnisse auf den Schreibtisch.
Momentan jedoch, so lässt sich mit Erleichterung feststellen, handelt es sich beim klassischen Kabarettisten um einen Quereinsteiger. Ein Mensch also, der einen ganz anderen Beruf gelernt hat, dem aber der Alltag irgendwann über den Kopf gewachsen sein muss, so dass er sich fortan als Reisender in Skurrilitäten betätigt. Christian Überschalls Kultprogramm „Die Zuzibilität der Weißwurst“ ist eigentlich nichts anderes als ein Schnellkurs in dialektaler Linguistik. Doch während Studenten bei solchen Ausführungen in den Hörsälen mit dem Schlaf kämpfen, bekommen es die Zuschauer bei Überschall hauptsächlich mit ihrem Zwerchfell zu tun.
Im restlos ausverkauften Satchmo’s geht es zunächst um die Herkunft, ein geschickter Auftritt durch die Hintertür. Das deutsche „Autobahndreieck“ in der Schweiz „Verzweigung“ und in Österreich „Verknotung“ genannt, dient Christian Überschall als erstes Beispiel der babylonischen Sprachverwirrung im deutschen Sprachraum und bietet zugleich einen ersten Interpretationsansatz zu Logik beziehungsweise Unlogik der jeweiligen Volksseele. Wer austeilen will, muss auch einstecken können. Weil ein Kabarettprogramm aber kein Dialog, sondern ein Monolog ist, legt Überschall zunächst ein paar Witze zur Schweizer Mentalität vor. Der Schweizer als Temposünder, wenn auch im umgekehrten Sinne, der die Schnecke als zappeliges Tierchen bezeichnet. Oder das Sexualverhalten der Schweizer als „Erregungskurve, die flach anläuft, um dann abrupt abzubrechen“.
In medium rex
Nach einer kleinen Klaviereinlage aber geht es dann „in medium rex“, rein in die bayerische Volksseele. Seit zwei Jahrzehnten lebt Christian Überschall in München, und er hat die Zeit reichlich genutzt zum Zuhören und Zusehen. Alles lässt sich aus seiner Sicht linguistisch interpretieren. Zum Beispiel die bayerische Orientierungslosigkeit, die sich in Ausrufen wie „ja wo samma denn“ manifestiert. Oder das berühmte „geh kimm“, das Überschall den kategorischen Imperativ der Bayern nennt. Über bayerische Tautologien wie „mir san mir“ geht es dann auf geradem Weg ins „Feuchtbiotop München“, wo der Schweizer Statement-Perlen am laufenden Meter zusammengetragen hat.
Bei alldem aber wird Überschall niemals auch nur ansatzweise beleidigend oder diskriminierend. Es sind die liebenswerten Gewohnheiten eines Menschenschlags, die er aufs Korn nimmt. Sein schlimmster Albtraum, so der Kabarettist, sei es, irgendwann plötzlich in Niedersachsen aufzuwachen – mitten unter Menschen, die, jedenfalls von hier aus betrachtet, über weniger profilierte Volksbräuche verfügt. In Bayern jedoch geht Überschall die Puste noch lange nicht aus. Zweieinhalb Stunden Kabarett-Power vom Feinsten, vom Satchmo’s-Publikum heftig bejubelt.
Allgäuer Zeitung, 05.01.2001 – André Krellmann
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