Bei Klaus-Peter Schreiner ist selbst der Kalte Krieg nach wie vor ein Thema

Wir haben unser System auf Computer umgestellt. Sie können deshalb mehrere Schreiben gleichen Inhalts von uns erhalten. Beachten sie die weiteren Schreiben als gegenstandslos“, zitiert Klaus-Peter Schreiner ein amtliches Anschreiben. Das animiert ihn zu der Frage: »Was nützt die schönste künstliche Intelligenz, wenn wir keine natürliche haben?“ Schreiner kann es sich erlauben so zu fragen. Er ist ein Kabarettist alter Schule – seit fast 40 Jahren Autor der Münchner Lach- und Schließgesellschaft. Nun gastierte er zum zweiten Mal im Uncle Satchmos und nahm die Gäste mit auf seine Wortspielreise „Einmal Deutschland und zurück“.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist der 74-jährige Schreiner nun schon dem politischen Kabarett verbunden. Er studierte in Mainz Chemie und und Philosophie und kam dabei mit Hanns-Dieter Hüsch in Kontakt. Dann wechselte er nach München und lernte dort Dieter Hildebrandt kennen. Schreiner arbeitete für Rundfunk und Fernsehen, das ein Drehbuch von ihm mit Curd Jürgens und Lilli Palmer verfilmte. In mehreren Spielfilmen ist er auch selbst zu sehen. Außerdem hat er mehrere satirische Bücher geschrieben. Vor allem aber hat er mit fast allen Großen des Kabaretts zusammengearbeitet: Neben Hildebrandt insbesondere mit Sammy Drechsel, Gerhard Polt oder Bruno Jonas. Seit 1993 gibt Schreiner zu dem als Solist Vorstellungen.

Bei seinem Kaufbeurer Auftritt zeigt Schreiner subtiles Polit Kabarett der alten Schule. Gediegener Wortwitz, beißende Satire und treffender Spott, ohne mit Peinlichkeiten, Trivialitäten oder Anzüglichkeiten Aufmerksamkeit erregen zu wollen. Dass er dabei die guten alten Zeiten kommentiert als es noch attraktive Feindbilder wie „den Russen gab, schadet ihm nicht. Zumal „der Schwachsinn, der heute als Politik verkauft wird“, ihm „am Gesäß vorbeigeht“.

Dreht Deutschland!

Und so empfiehlt Schreiner rückblickend verblüffende Lösungen für den Kalten Krieg. Hätte man Deutschland um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht, hätten die Alpen ein natürliches Hindernis gegen den Russen“ gebildet. Der wäre dann durch die Donau gestoppt worden, wenn nicht schon vorher die neuen östlichen Bundesländer (Bayern und Baden-Württemberg ein ideologisches Bollwerk gebildet hätten – Regionen, die, so Schreiner, durch Namen wie Andreas Hofer oder Kardinal Faulhaber) eh eine besondere Tradition im Widerstand besäßen. Auch Schreiners philosophischer Diskurs über den Kapitalismus zeugt noch von alter dialektischer Schule. Schreiner zeigt sich aber auch mit neueren Entwicklungen vertraut und tut seine Meinung zur Meinungsfreiheit, Korruption oder der modernen Verwaltung kund. So gerät ein Mann in die Fänge der Bürokratie, weil ein Computer ihm eine Schwangerschaft attestiert. Auf dem Amt wird ihm mitgeteilt das ein Schwangerschaftsabbruch aus sozialer Indikation nicht möglich sei aber immerhin könne er Kindergeld beantragen. Und Schreiner kann auch selbstironisch sein, wenn er „Bioaktiv-Kegeln“ für Happy Enders“ für Senioren empfiehlt. Seine Märchen wie „Null Bock und die sieben Geißlein“ erinnern schon fast ein wenig an altrömische Fabeln und Parabeln mit modernen Inhalt.

Schließlich schneuzt Schreiner, weißhaarig und im eleganten Anzug, in ein Taschentuch in den deutschen Farben. Dann ruft er sich selbst zur Ordnung, denn das Taschentuch sei doch eine Fahne und die stehe schließlich für das Vaterland. „Ob ich in ein Taschentuch oder eine Fahne schneuze, sollte egal sein denn sonst trifft es das Vaterland direkt“, lautet seine listige Antwort.

 

Allgäuer Zeitung, 3.3.2005 – Markus Frobenius